Gerichtliche Überprüfung von Schiedssprüchen bei Kartellrechtsfragen

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In vielen Franchisesystemen, insbesondere im internationalen Kontext, ist es üblich, dass Franchiseverträge eine sogenannte Schiedsvereinbarung enthalten. Das bedeutet, dass Streitigkeiten nicht vor den normalen staatlichen Gerichten ausgetragen werden, sondern vor speziellen Schiedsgerichten. Im internationalen Raum gibt es verschiedene anerkannte Organisationen, die für die Bildung solcher Schiedsgerichte zuständig sind. Die anstatt gerichtlicher Urteile ergehenden Schiedssprüche werden dann auch von den staatlichen Behörden in der Regel im Hinblick auf eine Zwangsvollstreckung anerkannt. Der Vorteil von Schiedsgerichten ist, dass die Inhalte und auch die mündliche Verhandlung geheim bleiben, und dass sich nicht die nach dem Gerichtsverteilungsplan zufällig zuständigen Richter mit einer derartigen Spezialmaterie beschäftigten, sondern Spezialisten aus Recht und Wirtschaft, die gerade für den konkreten Fall als Schiedsrichter ausgesucht werden. Auch gibt es keine Möglichkeit einer Berufung in einer zweiten Instanz. Daher bleibt die Verfahrensdauer meist überschaubar.

Schiedsgerichte dürfen sich nicht über die öffentliche Ordnung hinwegsetzen

Dennoch gibt es Fälle, in denen die von Schiedsgerichten ausgesprochenen Schiedssprüche nicht endgültig und einer Kontrolle durch staatliche Gerichte nicht völlig entzogen sind. Dies gilt vor allem dann, wenn im Rahmen eines Schiedsspruches gegen wesentliche Grundsätze der öffentlichen Ordnung (sogenannter „ordre public“) verstoßen worden sein könnte. Dahinter steht der Gedanke, dass es zwar einerseits ausschließlich eine Sache der jeweiligen Parteien ist, sich darüber zu einigen, wie bei Streitigkeiten verfahren werden soll. Andererseits können aber auch Rechtsfragen betroffen sein, die über das Verhältnis zwischen den Parteien hinaus Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung haben können.

Kartellrecht als ordnungspolitisches Mittel und Bestandteil der öffentlichen Ordnung

Ein wichtiges Beispiel dafür ist das Kartellrecht. Das Kartellrecht soll verhindern, dass Verhaltensweisen oder vertragliche Vereinbarungen die Ausgeglichenheit eines gesunden Wettbewerbs beeinträchtigen könnten. Da es sich bei einem Franchisevertrag um die Vereinbarung zwischen zwei selbstständigen Unternehmen handelt, sind hier auch immer kartellrechtliche Fragen relevant. Und wenn beispielsweise ein Franchisevertrag wegen eines Verstoßes gegen kartellrechtliche Vorgaben nichtig wäre, so berührte dies schon in gewisser Weise die Wettbewerbssituation und den Markt im Allgemeinen. Kartellrechtliche Vorschriften sind daher teilweise Bestandteil des „ordre public“ und können in Einzelfällen selbst dann von staatlichen Gerichten überprüft werden, wenn bereits ein Schiedsgericht scheinbar endgültig entschieden haben sollte.

Umfang gerichtlicher Prüfungskompetenz von Schiedssprüchen war umstritten

Bisher gab es verschiedene Oberlandesgerichte, die in die Entscheidungskompetenz von Schiedsgerichten nur dann eingreifen wollten, wenn ein evidenter Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften dem Schiedsspruch zugrunde lag. Ein Schiedsspruch wurde von diesen Oberlandesgerichten daher nur dann aufgehoben, wenn die Beurteilung der kartellrechtlichen Fragen durch das Schiedsgericht in keiner Weise vertretbar erschien und zu einem deswegen für die öffentliche Ordnung untragbaren Ergebnis führte.

Andere Oberlandesgerichte jedoch waren der Ansicht, dass Schiedssprüche grundsätzlich in vollem Umfang einer rechtlichen Überprüfung durch ein staatliches Gericht unterzogen werden müssten, soweit zentrale dem „ordre public“ zugehörige Fragen der Entscheidung zugrunde lagen. Diese Gerichte sahen sich daher befugt, vergleichbar einem Berufungsgericht einen Schiedsspruch vollständig rechtlich zu überprüfen, wenn beispielsweise kartellrechtliche Fragen mit entscheidend waren.

Bundesgerichtshof entscheidet sich für strengere Linie

Nun hat es eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs gegeben. Dieser hat sich der oben dargestellten zweiten Auffassung angeschlossen. Nunmehr ist es also deutschlandweit entschieden, dass Schiedssprüche im Hinblick auf kartellrechtliche Fragestellungen, die zum „ordre public“ gehören, vollständig durch staatliche Gerichte, konkret durch die Oberlandesgerichte, überprüft werden können.

Während es in dem konkreten Fall, der dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorlag, um rechtsmissbräuchliche Verhaltensweisen ging, die einen fairen gefährden können, so ist es nicht ausgeschlossen, dass sich diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch auf die im Franchising typischerweise relevanten kartellrechtlichen Fragestellungen übertragen lässt. Somit besteht künftig – je nach Blickwinkel – die Chance bzw. die Gefahr, dass Schiedssprüche zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer, die sich mit der Frage der kartellrechtlichen Nichtigkeit wegen fehlendem Know-hows, wegen unzulässiger Preisbindung, oder wegen unzulässiger Einschränkung des passiven Vertriebs beschäftigen, auf Antrag der unterlegenen Partei von einem Oberlandesgericht wieder aufgehoben werden können.

Bedeutungsverlust für Schiedsvereinbarungen im Franchising?

Wenn es tatsächlich dazu käme, würde gerade im Franchising die Möglichkeit einer Schiedsvereinbarung an Bedeutung verlieren, weil kartellrechtliche Fragestellungen im Franchiserecht nicht gerade selten sind. Denn dann wären die Vorteile eines schnelleren, effizienteren Verfahrens und einer nicht zugelassenen Öffentlichkeit nur vorläufiger Natur, die gegebenenfalls, käme es zu einer anschließenden Beschwerde bei einem Oberlandesgericht, wieder hinfällig werden könnten.

BGH, Az. KRB 75/21, Beschluss vom 27.09.2022

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