Bedarfsbezogene Aufklärungspflicht des Franchisegebers

Veröffentlicht von angelegt unter Franchiserecht.

In einem brandaktuellen Urteil hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg die bisher gefestigte Rechtsprechung zur vorvertraglichen Aufklärung leicht modifiziert. Zumindest für die Fälle, in denen der Franchiseinteressent über umfassende betriebswirtschaftliche Vorkenntnisse verfügt.

Vorvertragliche Aufklärung mit verschiedenen Beispiel-BWAs

Hintergrund ist ein Fall aus dem Bereich der Systemgastronomie. Im Rahmen eines relativ großen Gastronomiekonzepts mit bereits zahlreichen bestehenden Franchise-Standorten wurden dem Franchisenehmer vor Vertragsunterzeichnung einige Beispiel-BWAs anderer Franchisebetriebe übermittelt und ausführlich erläutert. Bei diesen BWAs handelte es sich zwar um solche von verschiedenen Standorten mit unterschiedlich guter wirtschaftlicher Entwicklung. Dennoch wurde im Rahmen des Prozesses klar, dass diese Standorte keineswegs in ihrer Zusammenschau den Durchschnitt der Franchisebetriebe des Franchisegebers darstellten. Des Weiteren wurden dem Franchisenehmer immer wieder Möglichkeiten eingeräumt, weitere Informationen einzuholen und Nachfragen zu stellen. Neben verschiedenen Gesprächen mit den Geschäftsführern des Franchisegebers gab es auch mehrere Gespräche mit einem Franchiseberater und mit einem ehemaligen Filialleiter eines anderen Franchisenehmers. Diesen hatte der Franchisenehmer bereits vor Vertragsunterzeichnung als Mitarbeiter eingestellt.

Schadensersatz wegen irrführender BWAs?

Später, als sein Betrieb nicht so lief, wie der Franchisenehmer es sich vorgestellt hatte, fand er unter anderem heraus, dass sich die wirtschaftliche Situation der Franchisebetriebe unter dem Strich keineswegs so positiv darstellte, wie es die ihm vorgelegten BWAs der Beispiel-Betriebe hätten vermuten lassen. Der Franchisenehmer beendete daher die Franchise-Partnerschaft mit dem Franchisegeber. Und er forderte Schadensersatz wegen unvollständiger vorvertraglicher Aufklärung.

Unterschiede zwischen erfahrenen Unternehmern und Existenzgründern

Bisher entsprach es gefestigter Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und auch des Bundesgerichtshofs, dass ein Franchisegeber einem Franchiseinteressenten ungefragt zumindest so viel Zahlenmaterial vorlegen muss, dass dieser sich daraus ein objektives Bild von der bisherigen „Performance“ des Franchisesystems machen kann. Ebenfalls war und ist es gängige Rechtsprechung, dass an die vorvertragliche Aufklärung eines betriebswirtschaftlich vorgebildeten Franchisenehmers geringere Anforderungen zu stellen sind, als an die Aufklärung eines Existenzgründers. Diese graduellen Unterschiede in den Aufklärungspflichten können sich jedoch eigentlich nur auf solche Umstände beziehen, die nichts mit den zu offenbarenden Interna des konkreten Franchise-Systems zu tun haben. Also insbesondere auch mit den tatsächlichen Erfolgskennzahlen bestehender Franchisebetriebe. Denn in solche Daten wird ein unerfahrener wie ein erfahrener Unternehmer gleichermaßen wenig Einblick haben, wenn er ihm nicht gewährt wird.

Ungefragte Aufklärung oder Möglichkeiten zum Nachfragen?

Das Oberlandesgericht Hamburg hat nunmehr in zweiter Instanz die Schadensersatzansprüche des Franchisenehmers zurückgewiesen. Es argumentiert damit, dass dem Franchisenehmer zwar in der Tat BWAs von nicht vergleichbaren und auch nicht durchschnittlichen Franchisebetrieben vorgelegt wurden. Dieser möglicherweise als Mangel der vorvertraglichen Aufklärung zu betrachtende Umstand wird jedoch dadurch aufgewogen, dass über die Zahlen ausführlich gesprochen wurde, dass der Franchiseinteressent die Möglichkeit gehabt hätte, Nachfragen zu stellen und weitere Zahlen zu erbitten, und vor allem dass er betriebswirtschaftlich sehr erfahren gewesen sei und zudem einen Mitarbeiter an seiner Seite gehabt hätte, der bereits als Filialleiter tätig war. So jedenfalls lesen sich die Entscheidungsgründe des Urteils. Dass dieser ehemalige Filialleiter als Zeuge in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, er habe als solcher seinerzeit keine Einblicke in die Umsatzzahlen und in die Kosten des Betriebes gehabt, lässt das Gericht dabei unbeachtet.

Lockerung der Aufklärungspflichten bei erfahrenen Unternehmern

Auch wenn das Oberlandesgericht, soweit es sich durchaus auf die bisherige Rechtsprechung zur vorvertraglichen Aufklärung bezieht, in letzter Konsequenz etwas inkonsequent argumentiert, so erscheint die Entscheidung doch die bisherige Rechtsprechung zur vorvertraglichen Aufklärung zumindest zu modifizieren und zu lockern. Nämlich dahingehend, dass nicht pauschal bestimmte Informationen verlangt werden können, sondern dass vielmehr quasi in einer Gesamtschau das Informationsbedürfnis und die Informationsmöglichkeiten des konkreten Franchiseinteressenten in den Blick genommen werden müssen.

Weiterhin unbedingte Sorgfalt bei der vorvertraglichen Aufklärung erforderlich

Für Franchisegeber bedeutet dieses Urteil keineswegs, dass die Anforderungen an die vorvertragliche Aufklärung nicht mehr so streng in den Blick genommen werden müssen. Denn zum einen ist das Urteil nicht repräsentativ. Und im übrigen wäre gerade aufgrund der etwas pauschalen Gesamtschau des Gerichts auch für kommende Fälle niemals genau vorhersehbar, was denn nun am Ende tatsächlich ausreichen würde. Nach wie vor empfiehlt sich also, sich als Franchisegeber eher an den strengeren Urteilen der letzten Jahre zu orientieren, umfassend aufzuklären, und umfassend die erfolgte Aufklärung zu Beweiszwecken zu dokumentieren.

OLG Hamburg, Az. 1 U 107/19, Urteil vom 25.02.2022

Kommentieren

  • (wird nicht veröffentlicht)

Aktuelle Nachrichten und Urteile zum Thema Franchising und Franchiserecht