In vielen Vertriebsverträgen, unter anderem auch in zahlreichen Franchiseverträgen, spielt der Handelsvertreterausgleichsanspruch nach § 89b HGB eine große Rolle. Durch diesen Ausgleichsanspruch sollen bei Beendigung der Vertragslaufzeit die diejenigen Nachteile, die der Vertriebsmittler (Handelsvertreter, Franchisenehmer, Tankstellenpächter) durch Aufgabe seines Geschäftsbetriebs erleidet kompensiert werden, insbesondere unter Berücksichtigung derjenigen Vorteile, die der Unternehmer im Gegenzug zu erwarten hat. Der Handelsvertreterausgleichsanspruch ist quasi eine Honorierung des Vertriebsvermittlers für die Akquirierung neuer Kunden zu Gunsten des Unternehmers.
Sofern grundsätzlich nach den gesetzlichen Vorschriften oder der diesbezüglich ergangenen Rechtsprechung ein Handelsvertreterausgleichsanspruch zu gewähren ist, darf dieser gemäß § 89b Abs. 4 HGB nicht im Voraus gesetzlich ausgeschlossen werden. Eine Vereinbarung in einem Vertriebsvertrag, dass es keinen Handelsvertreterausgleichsanspruch geben soll, ist damit in jedem Fall unwirksam.
Das Oberlandesgericht Hamm hatte sich jetzt mit einem Fall zu beschäftigen, bei dem ein Tankstellenpächter zunächst die eine Tankstelle betrieb, im Anschluss daran eine andere Tankstelle des selben Tankstellenverpächters. Für die neue Tankstelle wurde auch ein neuer Tankstellenpachtvertrag abgeschlossen. In diesem Vertrag fand sich eine Regelung, nach der im Falle einer kurzen Vertragslaufzeit – bis zu fünf Jahre – der Handelsvertreterausgleichsanspruch sich nicht nur an den Provisionen bezüglich dieser zweiten Tankstelle orientieren sollte, sondern auch in einem bestimmten Verhältnis die Provisionen der alten Tankstelle bei der Berechnung eine Rolle spielen sollten.
In dem Gerichtsverfahren stritten sich der Tankstellenpächter und der Verpächter um zahlreiche Schadensersatzansprüche, so auch um die Höhe des Ausgleichsanspruchs. Das Oberlandesgericht hat dem Tankstellenpächter zumindest insoweit Recht gegeben, als es die vertragliche Regelung bezüglich des Handelsvertreterausgleichanspruchs als unwirksam ansah. Zwar wurde in dieser Regelung der Handelsvertreterausgleichsanspruch nicht ausgeschlossen. Nach Ansicht des Gerichts ist aber nicht nur ein vollständiger Ausschluss, sondern auch ein teilweiser möglicher Ausschluss unwirksam. Da bei der Berechnung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs entgegen den gesetzlichen Regelungen auch gegebenenfalls Umsätze eines älteren bereits abgelaufenen Vertragsverhältnisses bezüglich der alten Tankstelle Berücksichtigung finden konnten, kam dies nach Ansicht des Gerichts zumindest einem möglichen Teilausschluss des Handelsvertreterausgleichsanspruchs gleich.
Das Urteil zeigt einmal mehr, wie viel Vorsicht bei der Vertragsgestaltung geboten ist, wenn es darum geht, durch scheinbar geschickte Regelungen bestimmte Rechte eines Handelsvertreters oder eines anderen Vertriebsmittlers auszuschließen oder einzuschränken.
OLG Hamm, Az. 18 U 169/12, Urteil vom 29.07.2013
Wir haben immer wieder das Problem, dass das Gesetz ausscheidenden Handelsvertretern eine Menge „Erpressungspotential“ für eine überhöhte Abfindung bietet. Kann ich hier überhaupt etwas im Voraus gestalten? Z.B. wenn es um den „Buchauszug“ geht? Vielen Dank für eine Rückmeldung!