Von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage spricht man, wenn bestimmte Umstände bei Abschluss eines Vertrages ersichtlich für beide Vertragspartner von so großer Bedeutung und derart selbstverständlich waren, dass dann, hätten die Vertragspartner an eine mögliche Veränderung dieser Umstände gedacht, diese auch eine entsprechende vertragliche Regelung für diesen Fall mit aufgenommen hätten. Wenn also solche bedeutsamen Umstände sich während der Laufzeit eines Vertrages ändern, soll es möglich sein, dass der Vertrag angepasst oder aber vorzeitig beendet werden kann.
Vertragsanpassung oder Kündigung beim Wegfall der Geschäftsgrundlage
Bei Franchiseverträgen ist es umstritten, ob es auch hier ein Recht auf Vertragsanpassung oder Vertragsauflösung bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gibt, oder ob all solche Fälle der Veränderung der Geschäftsgrundlage über die Möglichkeit zu einer fristlosen Kündigung des Franchisevertrages zu lösen sind. Diese rechtliche Streitfrage unter Franchiserechtlern soll hier jedoch nicht näher behandelt werden. Viel interessanter ist die Frage, welche unausgesprochenen Umstände derart bedeutsam sein können, dass sie möglicherweise das Recht zu Vertragsauflösung, in welcher Form auch immer, geben können.
Subventionen für Nachhilfeunterricht als Geschäftsgrundlage eines Franchisevertrages?
In einem aktuellen Urteil des Landgerichts Bonn ging es im Rahmen eines Nachhilfe-Franchise-Systems um die Frage, ob der unerwartete Wegfall bestimmter staatlicher Zuschüsse bei bestimmten Nachhilfeleistungen dazu führen kann, dass dem Franchisenehmer ein Recht zur vorzeitigen Vertragsauflösung zuzubilligen wäre. In dem vorliegenden Fall war der Franchisenehmer fest davon ausgegangen, dass er dauerhaft diese staatlichen Zuschüsse in seine wirtschaftliche Planung mit einbeziehen kann. Daher hat er argumentiert, dass beide Vertragspartner eine entsprechende Regelung in den Franchisevertrag aufgenommen hätten, wenn sie bei Vertragsunterzeichnung bereits diese Möglichkeit der Streichung der staatlichen Zuschüsse bedacht hätten.
Allgemeines unternehmerisches Risiko ist von jedem Vertragspartner selbst zu tragen
Das Gericht hat richtigerweise eine solche Möglichkeit der vorzeitigen Vertragsbeendigung abgelehnt. Es hat darauf hingewiesen, dass es sich bei solchen Umständen um Dinge handele, die zwar nicht immer erwartet und mit eingeplant würden, die jedoch zum allgemeinen Risiko eines selbstständigen Unternehmers, wie es der Franchisenehmer nur einmal sei, gehörten.
Was Geschäftsgrundlage wurde, ist stets im Einzelfall zu prüfen
Das Urteil betrifft natürlich nur einen konkreten Einzelfall, und kann nicht verallgemeinert werden. Denn schließlich ist es durchaus denkbar, dass ein bestimmtes Franchisekonzept ohne bestimmte Zuschüsse oder ohne bestimmte Vorteile, von denen beide Vertragspartner bei Vertragsunterzeichnung noch ausgegangen waren, überhaupt keinen Sinn mehr macht. In einem solchen Fall kann man sehr wohl über einen Wegfall der Geschäftsgrundlage nachdenken. Wenn es aber bloß um Umstände geht, die das betreffende Geschäftskonzept wirtschaftlich weniger ertragreich erscheinen lassen, wäre es nicht vertretbar, dass der Franchisegeber alleine dieses Risiko sämtlicher Franchisenehmer zu tragen hat.
Beispiele für wesentliche Rahmenumstände bei Franchisekonzepten
Andere Beispiele für Umstände, bei denen man über einen möglichen Wegfall der Geschäftsgrundlage diskutieren kann, sind die Veränderung bestimmter Provisionssätze durch Reiseveranstalter bei Reisebüro-Franchisekonzepten, die gesetzliche Beschränkung der Erlaubnis für bestimmte Dienstleistungen, die Streichung bestimmter steuerlicher Vorteile für die systemtypischen Leistungen, die Erhöhung gesetzlicher Anforderungen an den Verkauf bestimmter Produkte, das gesetzliche Verbot bestimmter Produkte, die Neubeurteilung von Gesundheitsrisiken hinsichtlich bestimmter Lebensmittel und vieles andere mehr.
Es lässt sich letztlich immer nur im Einzelfall entscheiden, ob eine vorzeitige Vertragsbeendigung unter dem Gesichtspunkt eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt, oder ob es sich lediglich um die Verwirklichung übliche Geschäftsrisiken selbstständiger Unternehmer handelt.
Geschäftsgrundlage im Social Franchising
Gerade im Social Franchising jedoch, mit welchem sich der Verfasser dieser Zeilen in besonderer Weise beschäftigt, kann die Streichung bestimmter Zuschüsse oder die steuerliche Bevorzugung bestimmter Leistungen das ganze Konzept hinfällig werden lassen, weil es mangels Bezahlung der betreffenden Leistungen durch die Endnutzer nur mit wirtschaftlicher Unterstützung von außen realisierbar bleibt.
LG Bonn, Az. 10 O 64/17, Urteil vom 20.11.2017