Vorvertragliche Aufklärung: Phantasiezahlen führen zum Schadensersatz

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Zu dem im Franchiserecht zentralen Problemfeld der vorvertraglichen Aufklärungspflichten ist jetzt erneut ein Urteil eines deutschen Oberlandesgerichts ergangen. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg bestätigte das Urteil des Landgerichts Hamburg und sprach einem Franchisenehmer aus der Textilbranche umfassenden Schadensersatz hinsichtlich seiner Betriebsverluste in sechsstelliger Euro-Höhe zu.

Welche Zahlen muss ein Franchisegeber offenbaren?

Immer wieder wird im Hinblick auf das Thema vorvertraglicher Aufklärungspflichten vor Gericht darüber gestritten, welche Zahlen ein Franchisegeber einem angehenden Franchisenehmer vor Vertragsunterzeichnung zur Verfügung stellen muss.

Sind es die durchschnittlichen Umsatzzahlen der bestehenden Franchisenehmer? Muss auf entsprechende Ausreißer hingewiesen werden? Müssen Umsatzzahlen vergleichbarer Standorte offenbart werden? Darf auf die Zahlen von eigenen Regiebetrieben des Franchisegebers zurückgegriffen werden? Dürfen Prognosen erstellt werden, die auf keinerlei realem Zahlenmaterial beruhen?

Eigene Rentabilitätsvorschau durch Franchisenehmer muss zumindest ermöglicht werden

All dies ist nicht abschließend geklärt. Klar ist jedoch, dass ein Franchisegeber, wenn ihm dies aufgrund seiner bereits nachhaltigen Marktpräsenz möglich ist, den Franchise-Interessenten mithilfe von Zahlenmaterial in die Lage versetzen muss, zumindest unter Zuhilfenahme eines eigenen Steuerberaters oder eines anderen Experten eine eigene auf seinen Standort bezogene Rentabilitätsvorschau zu erstellen. Keinesfalls reicht es aus, irgendwelche Phantasiezahlen ohne nähere Erläuterung zur Grundlage der Vertragsverhandlungen zu machen.

Mangelnde Kostendeckung statt attraktiver Umsätze

Genau das aber ist in dem vorliegenden Fall geschehen. Es wurde noch nicht einmal ein schriftlicher Franchisevertrag abgeschlossen, dies jedoch war in diesem Fall nicht problematisch. Jedenfalls wurden dem Franchisenehmer bestimmte Quadratmeterumsätze an die Hand gegeben, die sich schon nach sehr kurzer Zeit als bei weitem nicht erreichbar herausstellten. Der Franchisenehmer konnte mit seinen Umsätzen noch nicht einmal seine Kosten decken. Es stellte sich dann in der Folge heraus, dass die vom Franchisegeber genannten Quadratmeterumsätze auf keinerlei realem Zahlenmaterial beruhten, sondern allein der Phantasie des Franchisegebers entsprangen. Genau darauf hatte er jedoch nicht hingewiesen.

Kein Mitverschulden des Franchisenehmers

Das Oberlandesgericht Hamburg sprach daher dem Franchisenehmer einen umfassenden Schadensersatz zu. Auch stellte das Gericht klar, dass den Franchisenehmer kein Mitverschulden treffe. Der Franchisenehmer müsse diejenigen Zahlen, die ihm von Seiten des Franchisegebers zur Verfügung gestellt wurden, nicht infrage stellen. Anders ausgedrückt: Ein Franchisegeber kann also einem Franchisenehmer nicht vorwerfen, dass er ihm geglaubt hat. Auch, so das Gericht, treffe den Franchisenehmer keine so weit gehende Schadensminderungspflicht, dass er verpflichtet wäre, sein Geschäft gleich bei den ersten Anzeichen mangelnder Rentabilität zu schließen. Vielmehr muss der Franchisegeber den gesamten Schaden bis zur schließlich erfolgten fristlosen Kündigung des Franchisenehmers ersetzen.

Seriösen Franchisesystemen sollte es eine Lehre sein

Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Rechtsprechung insoweit immer noch nicht einheitlich ist, verwundert es doch immer wieder, wenn Franchisegeber sehenden Auges entweder falsche Zahlen, oder ohne entsprechenden Hinweis rein fiktive Phantasiezahlen ihren angehenden Franchisenehmern zur Verfügung stellen. Zumindest in solchen Fällen ist bereits vorhersehbar, wie entsprechende Gerichtsprozesse ausgehen. Es kann daher allen seriösen Franchisegebern nur geraten werden, lieber auf einen Franchisenehmer zu verzichten, als mit frisiertem Zahlenmaterial die mögliche Euphorie von entsprechenden Interessenten auszunutzen.

OLG Hamburg, Az. 4 U 10/14, Urteil vom 05.09.2014

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