Oft haben sich in den vergangenen Jahren die Gerichte mit Fragen der Scheinselbstständigkeit von Franchisenehmern beschäftigt und untersucht, ob es sich angesichts der starken Abhängigkeit vom Franchisegeber letztlich um Arbeitnehmer oder um selbstständige Gewerbetreibende handelte. Je mehr sich das Franchising im Bewusstsein des deutschen Wirtschaftslebens etabliert hat, umso weniger wird noch darüber diskutiert, ob eine Franchisepartnerschaft möglicherweise als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist.
Dennoch kommt es immer wieder zu entsprechenden Rechtsstreitigkeiten, in einem aktuellen Fall sogar im Rahmen eines Strafverfahrens, mit dem sich ein Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt beschäftigen musste.
Strafbarkeit wegen Unterschlagung von Arbeitsentgelt?
Hintergrund war ein Franchisesystem, bei dem der Franchisegeber osteuropäische Pflegekräfte als Franchisenehmer akquirierte, die er zur Betreuung von Pflegebedürftigen weitervermittelte. Gerade in der Pflegebranche ist ein solches Geschäftsmodell auch in der Form des Franchisings kein Einzelfall. Dem Franchisegeber, bzw. dem einzigen Geschäftsführer der Franchisegeber-GmbH, wurde von der Staatsanwalt vorgeworfen, er unterhalte zahlreiche Arbeitsverhältnisse, führe jedoch kein Sozialversicherungsbeiträge ab. Zudem veruntreue er das aufgrund der Arbeitsverhältnisse zu zahlende Arbeitsentgelt. Aufgrund dieses strafrechtlichen Vorwurfs wurde vom Amtsgericht Marburg ein Haftbefehl erlassen, bestätigt vom Landgericht Marburg.
Das sah das Oberlandesgericht Frankfurt im Rahmen des anschließenden Beschwerdeverfahrens anders. Der Strafsenat untersuchte genau die konkreten Kriterien im Rahmen der so genannten Franchisepartnerschaft, die möglicherweise für eine Einordnung als Arbeitsverhältnis sprechen könnten.
Bezeichnung des konkreten Vertrages stellt allenfalls Indiz dar
Klargestellt wird im Rahmen des Beschlusses, dass es hinsichtlich der Frage einer Arbeitnehmereigenschaft nicht darauf ankommt, wie das betreffende Vertragsverhältnis betitelt ist. Dies entspricht auch einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass die Überschrift über einem Vertrag nichts aussagt über den tatsächlichen Charakter des Vertragsverhältnisses. Angesichts der konkreten Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses und auch angesichts der konkreten Ausgestaltung der tatsächlichen Abläufe im Rahmen der Franchisepartnerschaft und im Rahmen der Durchführung der Pflegeleistungen kam das Gericht jedoch eindeutig zu dem Schluss, dass die akquirierten Franchisenehmer nicht als Arbeitnehmer zu qualifizieren seien, sondern eindeutig als Selbstständige.
Abgrenzungskriterien zwischen Selbständigkeit und abhängiger Beschäftigung
Nach Ansicht des Gerichts sprachen dafür unter anderem die Tatsache, dass die betreffenden Franchisenehmer ein eigenes wirtschaftliches Risiko treffe, dass die Rechnungen an die zu betreuenden Personen im Namen der Franchisenehmer erstellt wurden, dass der Franchisegeber weder Ort, Zeit, Dauer, noch konkrete Umstände der pflegerischen Tätigkeit näher bestimmte, und diesbezüglich kann auch kein Weisungsrecht hatte, und dass insbesondere auch die Pflegedienstverträge nicht zwischen dem Franchisegeber und den zu betreuenden Personen, sondern immer zwischen den Franchisenehmern und den zu betreuenden Personen abgeschlossen wurden.
Einwände der Staatsanwaltschaft, bei Rückfragen der Pflegebedürftigen müsse sich stets an den Franchisegeber gewendet werden, für die Franchisenehmer würden Gruppenversicherungsverträge angeboten, und es fänden gemeinsame Schulungen vor Aufnahme der Pflegetätigkeiten statt, ließ das Gericht nicht gelten, denn diese Tatsachen seien geradezu typisch für Franchisesysteme, bei denen die an sich selbstständigen Franchisenehmer in nicht unerheblichem Maße in das Franchisesystem eingebunden seien.
Franchising – das nach wie vor unbekannte Phänomen in Deutschland?
Der Haftbefehl wurde also durch das Oberlandgericht Frankfurt aufgehoben. Einmal mehr ist der Versuch gescheitert, offensichtlich normale Franchiseverträge als Arbeitsverhältnisse einzuordnen. Vor dem Hintergrund der Entwicklung des Franchiserechts in den vergangenen Jahren ist es doch eher überraschend, dass auch Gerichte und Staatsanwaltschaften nach wie vor mit dem Phänomen des Franchisings nur unzureichend professionell umzugehen erscheinen.
Es ist richtig, jeden Einzelfall gesondert zu betrachten, doch angesichts des vorliegenden Falles scheinen die oben geäußerten Vorbehalte gegenüber Einrichtungen der Justiz mehr als berechtigt.
Konsequenz ist Transparenz des Franchisegebers
Dennoch lehrt dieses Strafverfahren, dass sich jeder Franchisegeber vor einer entsprechenden Belangung durch Sozialversicherungsbehörden, Staatsanwaltschaften, und Arbeitsrechtler wappnen sollte, in dem er sein Franchisesystem transparent ausgestaltet und dafür sorgt, dass gerade die klassischen Kriterien einer Selbstständigkeit deutlich zu Tage treten – sowohl im Rahmen der Vertragsgestaltung, als auch im Rahmen der tatsächlichen Arbeits- und Funktionsweise des Franchise-Systems.
OLG Frankfurt am Main, Az. 1 Ws 179/13, Beschluss vom 07.03.2014