Der geschädigter Kunde und die Rechtsscheinhaftung des Franchisegebers

Veröffentlicht von angelegt unter Franchiserecht.

Manche durchschnittlichen Verbraucher und Kunden haben ein ungefähres Gefühl dafür, was Franchising ist. Die wenigsten jedoch kennen die konkreten rechtlichen Hintergründe, es fällt ihnen vielmehr oft lediglich das Stichwort „McDonald’s“ ein. Wenn also der durchschnittliche Kunde ein Geschäft oder ein Dienstleistungsunternehmen aufsucht, welches im Rahmen eines Franchise-Systems agiert, ist ihm meist nicht bewusst, dass er dort mit einem selbstständigen Unternehmer Verträge schließt, er hat häufig vielmehr lediglich die dahinter stehende bekannte Marke im Kopf.

In der Regel ist dies auch völlig egal, wenn es zu keinen Komplikationen bei der Abwicklung des Kundenauftrags oder des Kaufvorganges kommt, denn dann spielt die Identität des Vertragspartners keine Rolle. Andernfalls stellt sich die Frage einer Rechtsscheinhaftung.

Schadensersatz vom Franchisenehmer und vom Franchisegeber?

Problematisch wird es immer dann, wenn ein Kunde geschädigt wird, oder wenn er zumindest glaubt, für irgendetwas Schadensersatz verlangen zu können. Wen soll er dann verklagen? Meist fällt ihm zuerst schlicht der jeweilige Markenname ein bzw. das dahinter stehende Unternehmen. Dass er stattdessen allerdings nicht mit den Franchisegeber, sondern mit dem Franchisenehmer einen Vertrag abgeschlossen hat, und dass im Grunde genommen nur dieser vertraglich haftet, ist ihm weder bei Vertragsschluss, noch später bewusst.

Weiß der Kunde, mit wem er Verträge schließt?

Daher wurde schon immer in der franchiserechtlichen Szene diskutiert, ob möglicherweise nicht nur der Franchisenehmer, der im jeweiligen Fall konkret gehandelt hat und Vertragspartner wurde, sondern auch der Franchisegeber unter Gesichtspunkten der so genannten Rechtsscheinhaftung für Schäden der Kunden haftbar gemacht werden kann. Eine Rechtsscheinhaftung entsteht dann, wenn aus Sicht des durchschnittlichen Kunden eine bestimmte Person Vertragspartner zu sein scheint, die es eigentlich gar nicht ist. Um in einen solchen Fall auch diese Person verklagen zu können, muss hinzukommen, dass sie auch die Verantwortung dafür trägt, dass ein solcher Rechtsschein entstanden ist.

Rechtsschein aufgrund des einheitlichen Markenauftritts

Ob ein Franchisegeber nach solchen Rechtsscheingrundsätzen gegenüber Kunden der Franchisenehmer haftet, war stets umstritten. Zum einen wird argumentiert, dass es schließlich der Franchisegeber selbst ist, der gerade Wert darauf legt, dass bei seinen Geschäften und Outlets nicht der Franchisenehmer im Focus des Kunden steht, sondern die von ihm gehaltene bekannte Marke. Somit scheint es, dass der Franchisegeber selbst sein ganzes System geradezu auf die Entstehung eines solchen Rechtsscheins ausgerichtet hat. Umgekehrt wird argumentiert, dass Kunden heute durchaus wüssten, was Franchising ist, und dass sie sich daher auch ihres tatsächlichen Vertragspartners, nämlich des Franchisenehmers bewusst sind.

Schmerzen in der Bikinizone wegen unsachgemäßer Behandlung

In einem jüngeren Urteil, ausnahmsweise sogar eines Amtsgerichts, nämlich des Amtsgerichts Wuppertal, beschäftigt man sich in sehr ausführlicher und rechtlich fundierter Weise mit dieser Thematik. Hintergrund sind allergische Reaktionen und gesundheitliche Schäden bei einer Kundin eines Instituts zur Haarentfernung durch entsprechende Lasergeräte. Wegen der entstandenen Rötungen und Schmerzen im Bikini- und Intimbereich verlangte die Kundin Schmerzensgeld, und zwar sowohl vom Franchisenehmer, als auch vom Franchisegeber.

Das Amtsgericht hat entsprechende Pflichtverletzungen bei der Durchführung der Behandlung, aber auch bei der vorherigen Aufklärung, als erwiesen angesehen, und daher der Klägerin die Schmerzensgeldforderung zugesprochen.

Differenzierte Voraussetzungen für eine Rechtsscheinhaftung des Franchisegebers

Aber nicht nur der Franchisenehmer muss wurde verurteilt, sondern gemeinsam mit ihm auch der Franchisegeber, weil er eben den oben ausführlich erläuterten Rechtsschein im Rahmen des Franchise-Systems gesetzt habe.

Das Gericht setzt sich sehr ausführlich mit den verschiedenen Pro- und Contra-Argumenten auseinander und kommt zu der Erkenntnis, dass eine solche Rechtsscheinhaftung bei Franchise-Systemen nahe liegt, aber nicht zwingend in jedem Fall auch durchgreifen muss. Wenn der Franchisegeber nicht für entsprechende Fehler seiner Franchisenehmer haften wolle, müsse er im Rahmen seiner Systemgestaltung darauf dringen, dass trotz gemeinsamem Markenauftritt die Franchisenehmer in deutlicher Weise auf ihre unternehmerische Selbstständigkeit hinweisen müssen, beispielsweise außen am Ladenlokal, auf der Internetseite, oder in werblichen Handreichungen. Wenn dies jedoch nicht für den Kunden deutlich zum Ausdruck komme, greife die entsprechende Rechtsscheinhaftung zulasten des Franchisegebers.

Ausgestaltung des Außenauftritts der Franchisenehmer verringert Haftungsrisiken

Eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung ist in diesen Fällen nicht zu erwarten, da es in der Tat stets auf die konkrete Ausgestaltung des jeweiligen Franchisesystems ankommt. Somit kann allen Franchisegebern nur geraten werden, bei der Gestaltung des Außenauftritts ihrer Franchisenehmer die unternehmerische Selbstständigkeit deutlich hervorzuheben, um so entsprechende Haftungsrisiken zu minimieren.

AG Wuppertal, Az. 94 C 28/11, Urteil vom 27.04.2012

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