Besonders bei Vertragshändlerverträgen, gerade in der Automobilbranche, aber auch in vielen Franchisesystemen stellt sich für den Hersteller bzw. Franchisegeber das Problem der Pflege von Kundenbeziehungen über den Bestand eines konkreten Vertriebsvertrages hinaus.
Gerade, wenn es sich um ein Vertriebssystem für Produkte mit intensivem Service und Beratungsbedarf handelt, möchte der Franchisegeber möglicherweise selbst die Verantwortung für eine entsprechende Kundenpflege und für dauerhafte Kundenbeziehungen in den Händen behalten. Hierzu benötigt er die Daten der Kunden seiner Franchisenehmer.
Rechtliche Probleme bezüglich der Überlassung von Kundendaten
Ganz abgesehen von datenschutzrechtlichen Fragen, die hier einmal außer Acht gelassen werden sollen, stellt sich die Frage, wie eine entsprechende Verpflichtung zur Überlassung von Kundendaten im Rahmen des Franchisevertrages geregelt werden sollte.
Zum einen stellt es natürlich einen erheblichen Eingriff in die unternehmerische Selbstständigkeit des Franchisenehmers dar, wenn er seine gesamten Kundendaten dem Franchisegeber zur Verfügung stellen muss. Dies ist allerdings rechtlich wohl ohne weiteres zulässig.
Rechtlich und insbesondere auch wirtschaftlich problematisch allerdings wird es dann, wenn ein Franchisenehmer nach Vertragsbeendigung einen Ausgleichsanspruch, analog zum Handelsvertreterausgleichsanspruch nach § 89b HGB fordert.
Handelsvertreterausgleichsanspruch für Vertragshändler und Franchisenehmer
Sowohl für den Vertragshändlerbereich, als auch für den Franchisebereich ist mittlerweile anerkannt, dass es einen solchen Ausgleichsanspruch zum Ausgleich der Vorteile, die der Franchisegeber aufgrund der durch den Franchisenehmer geworbenen Neukunden dauerhaft behält, geben kann. Voraussetzung für einen solchen Ausgleichsanspruch ist nach gefestigter Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs, dass der Franchisenehmer bzw. der Vertragshändler gleich einem Handelsvertreter fest in die Vertriebsorganisation des Franchisegebers bzw. des Herstellers eingebunden ist. Weitere Voraussetzung ist allerdings, dass der Franchisenehmer bzw. der Vertragshändler vertraglich dazu verpflichtet ist, Kundendaten nach Vertragsbeendigung dem Franchisegeber bzw. dem Hersteller zu überlassen. Notwendig ist insoweit eine klare rechtliche Verpflichtung; es reicht nicht aus, wenn die Kundendaten aufgrund des gewöhnlichen Geschäftsablaufes rein faktisch alle beim Franchisegeber landen.
Insbesondere hat der BGH als konkrete Bedingung für eine verpflichtende Überlassung des Kundenstammes auch angesehen, dass es dem Franchisegeber sofort nach Beendigung des Franchisevertrages ohne weiteres möglich sein muss, die entsprechenden Kundendaten zu nutzen.
Pflicht zur Überlassung und Pflicht zum Löschen von Kundendaten
In einem Fall aus dem Vertragshändlerrecht im Kfz-Bereich hatte sich nun der Bundesgerichtshof mit einer besonderen Vertragsgestaltung zu befassen.
Aus dem Vertragshändlervertrag selbst ergab sich keinerlei Verpflichtung zur Überlassung der Kundendaten. Allerdings wurde eine zusätzliche Vereinbarung abgeschlossen zum Zwecke der Kundenbetreuung und zur Marktforschung. Inhalt dieser Vereinbarung war, dass der Vertragshändler einerseits während der Vertragsbeziehung zur Überlassung der Kundendaten verpflichtet war, dass andererseits sich aber der Hersteller sofort mit Vertragsbeendigung zur Sperrung und Löschung der Kundendaten und zur Einstellung von deren Nutzung verpflichtete. Des Weiteren wurde vereinbart, dass der Vertragshändler das Recht haben sollte, dem Hersteller die Kundendaten nach Vertragsbeendigung zu einem fest vereinbarten Kaufpreis zu überlassen.
Keine endgültige Überlassung der Kundendaten
In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof wurde sich nunmehr über das Bestehen eines Handelsvertreterausgleichsanspruches gestritten. Der Bundesgerichtshof hat den Anspruch verneint. Zwar sei der Vertragshändler aufgrund der Zusatzvereinbarung zur Überlassung der Kundendaten verpflichtet worden, diese hätten dem Hersteller nach Vertragsbeendigung jedoch aufgrund seiner Verpflichtung zur Sperrung und Löschung nicht zur Verfügung gestanden. Die bereits vorab in Aussicht genommene Vereinbarung eines Ankaufs der Kundendaten hing von der Ausübung der entsprechenden Option durch den Vertragshändler ab, so dass auch hierin keine endgültige Verpflichtung zur Überlassung der Kundendaten bestanden habe.
Optimale Vertragsgestaltung um Ausgleich der beiderseitigen Interessen
Die konkrete Vertragsgestaltung zeigt, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, den Interessen beider Vertragsparteien entgegenzukommen – einerseits dem Hersteller hinsichtlich der Betreuung seiner Kunden und andererseits dem Vertragshändler hinsichtlich der späteren Weiterbearbeitung des bisherigen Kundenstammes unter Ausschluss des Herstellers. Welche Regelungen im Einzelfall zu dem effektivsten Ergebnis führen, sollte unter Berücksichtigung dieser BGH-Rechtsprechung bei der Vertragsgestaltung genau abgewogen werden.
BGH, Az. VII ZR 315/13, Urteil vom 05.02.2015
Hallo Herr Niklas, es soll doch auch ein ganz aktuelles Urteil vom BHG geben, das sich ebenfalls mit Ausgleichsansprüchen beschäftigt, und zwar für einen Backshop-Franchisenehmer…
Genau! Der BGH hat sich also an einem Tag sehr intensiv mit dem Vertriebsrecht beschäftigt. Bei dem Vertragshändler-Urteil ging es um die Frage, ob nach bereits erfolgter Datenüberlassung die spätere Löschung einen möglichen Ausgleichsanspruchs wieder verhindern konnte. Bei dem Franchise-Urteil geht es um einen Sachverhalt, bei dem Kundendaten überhaupt nicht überlassen wurden, weil der Franchisenehmer keine Kundendaten hatte (SB-Bäckerei). Die Frage des Ausgleichsanspruchs stellte sich deshalb, weil zumindest rein faktisch wesentliche Teile des Kundenstammes dem Franchisegeber nach Vertragsende zugute kamen. Mehr zu dem Franchiseurteil in der nächsten Woche an diesem Ort!