Vorvertragliche Aufklärung – welche Zahlen müssen es nun sein?

Veröffentlicht von angelegt unter Franchiserecht, Franchising.

Gerade in den letzten drei Jahren hat sich die Rechtsprechung zumindest der Oberlandesgerichte wieder sehr in Richtung eines umfassenden Schutzes von Franchisenehmern orientiert, wenn es um die Frage des Umfangs der vorvertraglichen Aufklärung geht.

Franchisegeberunfreundliche Linie der Oberlandesgerichte in Düsseldorf und Hamm

Die Oberlandesgerichte in Düsseldorf und Hamm forderten sehr weitgehend eine konkrete Standortanalyse für den konkreten Standort des künftigen Franchisenehmers unter Zugrundelegung belastbaren Zahlenmaterials. Aus meiner Sicht geht diese Rechtsprechung deutlich zu weit, weil sie den Franchisenehmer als selbstständigen Unternehmer, der letztlich auch das Risiko seines wirtschaftlichen Erfolges oder Misserfolgs zu tragen hat, und der auch selbst für die Suche nach einem geeigneten Standort und für die Aufstellung eines Businessplanes verantwortlich sein muss, nicht mehr genügend ernst nimmt.

Vor diesem Hintergrund ist es durchaus sinnvoll, auch die landgerichtliche Rechtsprechung zu diesem Thema kontinuierlich zu beobachten.

Willkürliche Erhebung und Berechnung des Zahlenmaterials

In einem Fall vor dem Landgericht Dresden ging es um ein Krankenfahrdienst-Franchisesystem. Der klagende Franchisenehmer verlangte Rückabwicklung des abgeschlossenen Franchisevertrages, weil ihm kein belastbares sondern eher willkürlich errechnetes Zahlenmaterial vorgelegt worden war. Das Landgericht hat dem Franchisenehmer im wesentlichen Recht gegeben.

Der Franchisegeber hatte dem Franchisenehmer einen konkreten Businessplan zur Verfügung gestellt, bzw. die entsprechend Umsatzzahlen dafür geliefert, und dabei den Anschein erweckt, dass es sich um geeignete Zahlen für den zukünftigen Standort in einer niedersächsischen Stadt handeln würde. Wie sich jedoch teilweise erst im Laufe des Gerichtsprozesses herausstellte, hatte der Franchisenehmer in seinem Referenzbetrieb in Sachsen lediglich einen Zeitraum von fünf Tagen zur Grundlage genommen, und die entsprechenden sich daraus ergebenden Umsatzzahlen derart angepasst, dass er statt östlicher die Krankenhaustarife westlicher Bundesländer in die Rechnung einbezog. Auch hatte er bei der Angabe angeblich durchschnittlicher Umsätze je Fahrt lediglich diejenigen Fahrten berücksichtigt, die ein spezielles Krankentransportfahrzeug und eine spezielle Lizenz erforderten. Unberücksichtigt hatte er gelassen, dass sich die Franchise-Partnerbetriebe allenfalls halbwegs sinnvoll betreiben ließen, wenn auch normale Taxi-Krankenfahrten, die deutlich geringere Umsätze erwirtschafteten, durchgeführt wurden. Dem Franchisenehmer wurde weder mitgeteilt, dass die Zahlen lediglich auf einer fünftägigen Beobachtung eines einzelnen Betriebes beruhten, noch wie diese Zahlen allgemein auf die westlichen Bundesländer hochgerechnet worden waren.

Auch Hochrechnung auf konkreten Standort erforderlich?

Das Gericht war der Ansicht, dass all diese Grundlagen der Berechnung hätten offen gelegt werden müssen. Es war auch der Ansicht, dass eine Hochrechnung, konkret auf den Standort Hannover, und nicht allgemein auf ein westliches Bundesland hätte vorgenommen werden müssen. Auch sah es die Hochrechnung auf westliche Krankenhaustarife als wissenschaftlich nicht fundierte Methode an, zumal diese ebenfalls nicht offen gelegt worden war.

Insgesamt bewegt sich dieses Urteil wohl ein wenig zwischen der franchisegeberfreundlichen Tendenz, die es bis vor ein Jahr paar Jahren gab, und den Extrempositionen der Oberlandesgerichte Hamm und Düsseldorf aus den jüngsten Entscheidungen. Zwar verlangt das Landgericht in seiner Entscheidung keine umfassende Standortanalyse, jedoch ist es schon der Ansicht, dass vom Franchisegeber erstellte Umsatzprognosen auf den konkreten Standort bezogen sein müssen.

Hinsichtlich der anderen Mängel, nämlich einer völlig unzureichenden Tatsachengrundlage und einer mangelnden Offenlegung der Berechnungsmethode dürfte allerdings Einigkeit herrschen, dass diese dem Franchisegeber vorzuwerfen sind, so dass keinesfalls den Anforderungen an eine ordnungsgemäße vorvertraglicher Aufklärung genüge getan wurde.

Eindeutige Linie immer noch nicht erkennbar

Auch wenn dieses Urteil lediglich ein kleiner Baustein abseits der prominenten OLG-Rechtsprechung darstellt, zeigt es einmal mehr, dass ein Franchisegeber ausschließlich belastbares Zahlenmaterial verwenden darf, und darüber hinaus umfassend erläutern muss, woher er dieses Zahlenmaterial hat, und aufgrund welcher Erwägungen er es auf welche Art und Weise einer Umsatzprognose zu Grunde legt.

LG Dresden, Az. 6 O 305/13, Urteil vom 17.06.2015

4 Kommentare zu "Vorvertragliche Aufklärung – welche Zahlen müssen es nun sein?"

  1. ….zwischenzeitlich wurde übrigens Berufung zum OLG Dresden eingelegt…

  2. Das Oberlandesgericht Dresden hat nunmehr kürzlich die Entscheidung des Landgerichts in vollem Umfang bestätigt. Es hat zusätzlich betont, dass es bei Fehlern bei der vorvertraglichen Aufklärung nicht darauf ankommt, ob der angehende Franchisenehmer besondere Erfahrung im selbständigen Wirtschaftsleben vorzuweisen hat.

  3. Jörg Riediger sagt:

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    Meine Frau und ich sind seit 4,5 Jahren im Franchisesystem tätig und haben durch eine falsche Standortanalyse und einer angeblichen( konservativen Gewinnermitlung)übertragen von anderen Standorten noch nie selbst Gewinne erwirtschaftet,sodas wir am Existensminimum liegen.Welche Mittel gegen falscher Beratung und Standortwahl haben wir?Mit freundlichem Gruß Jörg Riediger

    • In solchen Fällen steht Ihnen möglicherweise ein fristloses Kündigungsrecht, ein Recht zur Anfechtung des Franchisevertrages, oder ein sonstiger Schadensersatzanspruch zu. Konkretere Ratschläge und Tipps sind verständlicherweise nur möglich im Rahmen einer individuellen anwaltlichen Beratung. Gerne können Sie mich unter meinen Kontaktdaten anschreiben oder anrufen. Martin Niklas.

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