Darstellung der Marktposition als Bestandteil vorvertraglicher Aufklärung

Veröffentlicht von angelegt unter Franchiserecht.

Die meisten Gerichtsurteile zum Thema Franchising befassen sich mit den Anforderungen an die vorvertragliche Aufklärung eines künftigen Franchisenehmers durch den Franchisegeber. Die diesbezügliche Rechtsprechung kann getrost als gefestigt bezeichnet werden. Dennoch sind neue Urteile immer wieder interessant, weil sie die konkreten Anforderungen daran, über was genau aufzuklären ist, immer  mehr differenzieren.

So hat sich jetzt das Landgericht Berlin mit einem Franchisesystem aus der Nachhilfebranche beschäftigt und die Aufklärung des Franchisenehmers in mehreren Punkten als unzulänglich eingestuft.

Aufklärungspflicht auch gegenüber geschäftserfahrenen Interessenten

Zunächst einmal hat das Gericht klargestellt, dass auch eine allgemeine geschäftliche Erfahrenheit des zukünftigen Franchisenehmers nicht davon befreit, ihn hinsichtlich wesentlicher Inhalte des Konzeptes nicht umfassend und korrekt aufklären zu müssen. Auch eine vorherige anwaltliche Prüfung der Vertragsunterlagen einschließlich beispielhafter Zahlenwerke führt nach Ansicht des Gerichts nicht dazu, dass sich ein Franchisenehmer später nicht auf Aufklärungsmängel berufen könnte.

Konkret ging es in dem Fall insbesondere um drei Bereiche, hinsichtlich derer das Gericht die Aufklärung als mangelhaft ansah. Jedenfalls in der Zusammenschau all dieser Mängel sieht das Gericht die Grundlage für einen umfassenden Schadensersatzanspruch des Franchisenehmers.

Bezeichnung als Marktführer ist keine bloße Werbeaussage

Interessant ist insbesondere der erste Aspekt, der, soweit ersichtlich, noch von keinem Gericht in diesem Zusammenhang behandelt wurde. Der Franchisegeber hatte sich in seinen allgemeinen Werbeaussagen, die aber auch direkt und indirekt Bestandteil der vorvertraglichen Aufklärung waren, als Marktführer in seiner Branche und als führender Anbieter der betreffenden Dienstleistungen dargestellt.

Dem Gericht genügte es insoweit, dass der Franchisenehmer im Prozess ausführlich vorgetragen hatte, dass ein Konkurrent auf dem Markt zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung deutlich mehr Franchisestandorte vorzuweisen hatte. Lässt zwar die Anzahl der Franchisestandorte nicht zwingend einen Rückschluss auf die Marktposition des entsprechenden Systems zu, so reichten diese Angaben dem Gericht aber als Indiz auf jeden Fall, zumal dann der Franchisegeber im Prozess dem auch nicht wirklich etwas entgegenzusetzen hatte.

Das Gericht ließ auch nicht gelten, dass es sich bei den Begriffen „führender Anbieter“ und „Marktführer“ lediglich um unverbindliche Werbeaussagen gehandelt habe. Wenn solche Aussagen genutzt würden, müsse schon irgendetwas dran sein.

Insbesondere dürfe man sich auch nicht als Marktführer bezeichnen, wenn man sich gleichzeitig als einziger Anbieter der ganz konkret spezifizierten Dienstleistung verstehe, so wie dies der Franchisegeber im Prozess versucht hatte. Auch dürfe das Portfolio der Dienstleistungen nicht allzu eng betrachtet werden, wenn es darum gehe, die Marktführerschaft im Vergleich zu anderen Wettbewerbern zu begründen.

Aufklärungspflicht hinsichtlich der Anzahl der Franchise-Outlet

In diesem Zusammenhang wiederholt das Gericht die bereits gängige Rechtsprechung, dass ein Franchisegeber zur Darstellung seines Erfolges und seiner Marktposition auch ungefragt die Anzahl der bestehenden Franchisebetriebe und der ausgeschiedenen Franchisenehmer, also eine Fluktuationsrate, offenbaren müsse. Hier half es dem Franchisegeber im vorliegenden Fall auch nicht, auf die eigene Homepage zu verweisen, auf der man angeblich die Anzahl der Franchisestandorte habe erkennen könne. Die eigene Homepage war nämlich so gestaltet, dass man die Standorte gerade nicht auf einen Blick finden konnte, sondern diese lediglich durch Probieren und Eingeben aller möglichen Postleitzahlen fand. Auf diese Weise hätte man dann erst in einer mühevollen Rechercheaktion sämtliche deutschen Standorte zusammenzählen können.

Rentabilitätsprognose muss sich auf vergleichbare Standorte beziehen

Schließlich bemängelte das Gericht weiter, dass keine objektiv richtige Aufklärung über die Rentabilität des Franchisesystems erfolgt sei. Zwar habe der Franchisegeber keine Wirtschaftlichkeitsberechnung für den konkreten Standort erstellen müssen. Es reichte dem Gericht jedoch nicht aus, dass lediglich die betriebswirtschaftlichen Zahlen eines einzelnen anderen Standortes in einer Millionenstadt als Beispiel und Grundlage für eine Rentabilitätsberechnung für den Standort des konkreten Franchisenehmers herangezogen wurden, wo doch dieser seinen Standort eher im ländlichen Bereich errichten wollte.

Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung für die Vertragsunterzeichnung

Schließlich hat das Gericht die gängige Rechtsprechung bestätigt, dass davon auszugehend sei, dass ein richtig aufgeklärter Franchisenehmer einen Franchisevertrag nicht unterzeichnet hätte. Ein Franchisenehmer muss daher in einem Prozess gerade nicht aktiv beweisen, dass er im Falle richtiger Aufklärung von der Unterzeichnung des Franchisevertrages Abstand genommen hätte.

Mitverschulden des Franchisenehmers fraglich

Das Urteil ist einzig und alleine deshalb etwas verwunderlich, weil zum Abschluss ohne nähere Begründung eine Mitverschuldensquote des Franchisenehmers von 1/3 angenommen wird.

Die bisherige Rechtsprechung ging in der Regel davon aus, dass im Falle falscher vorvertraglicher Aufklärung gerade kein rechtlich relevantes Mitverschulden des Franchisenehmers gegeben sie. Hier hat sich das Gericht darauf beschränkt eine Mitverschuldensquote von 1/3 anzunehmen. Dies lediglich mit der Begründung, dass der konkrete Franchisenehmer als geschäftserfahrene Personen gerade hinsichtlich der Anzahl der Standorte und hinsichtlich der Wettbewerbsposition hätte nachfragen und nachforschen können.

In dieser Allgemeinheit ist das Urteil hinsichtlich dieses einen Teilaspekts nicht überzeugend. Gleichwohl scheint die Annahme eines Mitverschuldens in anderen Fällen dennoch nicht völlig ausgeschlossen.

Es bleibt abzuwarten, wie das Kammergericht die Entscheidung sieht, denn beide Seiten haben Berufung eingelegt. Der Franchisegeber, weil er glaubt, vorvertraglich richtig aufgeklärt zu haben, der Franchisenehmer, weil er seinen Mitverschuldensanteil nicht akzeptieren möchte.

Das Urteil bestätigt die herrschende Rechtsprechung zur vorvertraglichen Aufklärung und bietet insoweit keine wirklichen Überraschungen. In seiner Ausführlichkeit jedoch bietet es durchaus Erkenntnisgewinn für alle im Franchising Tätigen. Insbesondere auch hinsichtlich des besonderen Merkmals einer Marktführerschaft. Insoweit lassen sich sicher auch Rückschlüsse ziehen auf andere lediglich als werblich anpreisende Äußerungen gedachte Angaben.

LG Berlin, Urteil vom 28.05.2020, Az. 16 O 330/19 Kart

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