Bundesgerichtshof entscheidet über Mietzahlungspflichten während der Corona-Krise

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Nachdem an dieser Stelle vor einiger Zeit schon über verschiedene Entscheidungen deutscher Oberlandesgerichte berichtet wurde, die sich auf eine eventuell eingeschränkte Mietzahlungspflicht von Gewerberaummietern während der Corona-Krise bezog, ist nunmehr von einer klärenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu berichten.

Keine Mietminderung aber Störung der Geschäftsgrundlage

Grundsätzlich waren sich seit Auftauchen der genannten Probleme die meisten deutschen Gerichte einig, dass eine Mietminderung im rechtstechnischen Sinne nicht in Betracht kommt, weil es sich bei der staatlich angeordneten Pflicht, ein Geschäftslokal oder ein Restaurant zu schließen, nicht um einen Mangel der Mietsache handele. Allerdings waren ebenfalls die meisten Gerichte grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein Gewerberaummieter möglicherweise eine Anpassung des Mietvertrages nach den Grundsätzen von der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) verlangen könne. Die Gerichte waren sich jedoch uneinig darüber, ob eine solche Anpassung der Geschäftsgrundlage automatisch erfolge, wie hoch gegebenenfalls der zu kürzende Mietanteil sei, ob ein Mieter im Falle eines Anpassungsanspruch in seiner Existenz bedroht sein müsse, und inwieweit im letzteren Falle seine gesamte Vermögenssituation eine Rolle spielen müsse.

Der BGH setzt klare Leitlinien für einen Anpassungsanspruch

Der Bundesgerichtshof hat hinsichtlich der konkreten Kriterien nunmehr eine eindeutige Entscheidung getroffen. Allerdings muss weiterhin in jedem Einzelfall geprüft werden, ob, und wenn ja, in welchem Maße eine Anpassung eines Mietvertrags in Betracht kommt.

Grundsätzlich bestätigt der BGH die Auffassung der meisten deutschen Gerichte, dass die zwangsweise Schließung von Geschäftslokalen aufgrund der Corona-Krise eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellt, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Anpassung des Mietvertrages notwendig macht.

Hintergrund ist die Erwägung, dass es sich bei dem Pandemierisiko, welches für keine der beiden Vertragsparteien vorhersehbar war, um ein solches Risiko handelt, welches folgerichtig in der Regel auch keine der beiden Parteien alleine tragen muss.

Ob allerdings dann im konkreten Einzelfall tatsächlich ein Anspruch auf Reduzierung der Miete bestehe, und wie hoch dieser Anspruch sei, müsse unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles geklärt werden.

Umfassende Abwägung der Interessen von Vermieter und Mieter

Dabei seien zum einen die besonderen Interessen des Vermieters, die der Bundesgerichtshof jedoch nicht näher erläutert, zu berücksichtigen. Zum anderen sie auf Seiten des Mieters zunächst zu berücksichtigen, inwieweit durch die zwangsweise angeordnete Schließung ein finanzieller Schaden entstanden sei. Hier sei im Regelfall angesichts des Ausfalls von Umsätzen dem Grunde nach ein Schaden anzunehmen. Allerdings seien auch ersparte Aufwendungen, wie beispielsweise ersparte Personalkosten mit zu berücksichtigen, ebenso erhaltene Versicherungsleistungen. Staatliche Ersatzleistungen seien dann zu berücksichtigen, wenn diese nicht nur darlehensweise gewährt würden, sondern dauerhaft dem Unternehmer zugutegekommen wären. Auch müsse geprüft werden, inwieweit der Mieter in der Lage war oder zumindest in der Lage gewesen wäre, Maßnahmen zu ergreifen, die die wirtschaftlichen Verluste hätten mindern können.

Wirtschaftliche Nachteile reichen aus, eine Existenzgefährdung des Mieters ist nicht erforderlich

Einigen Gerichtsurteilen entgegentretend hat der Bundesgerichtshof allerdings auch klargestellt, dass es bei der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Nachteile, die der Mieter hinnehmen musste, nur auf eine Einzelbetrachtung des konkreten Mietobjekts ankomme, und nicht auf das gesamte Unternehmen oder den gesamten Konzern insgesamt. Auch sei es nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht erforderlich, dass der Mieter grundsätzlich in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet sei.

Gerade hinsichtlich des letzten Punktes geht der Bundesgerichtshof weit über die meisten Urteile der Oberlandesgerichte hinaus und kommt den Mietern deutlich weiter entgegen. Denn bisher entsprach es bei den meisten Gerichten einer halbwegs einhelligen Meinung, dass eine Anpassung der Geschäftsgrundlage nur dann in Betracht komme, wenn eine Unzumutbarkeit zu den bisherigen Vertragsbedingungen, unter anderem aufgrund der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz, gegeben sei.

Stärkung der Rechtsposition der Gewerberaummieter

Nachdem es vorliegend also nicht auf eine Notlage und auch nicht auf die Gesamtsituation eines Unternehmens, sondern nur auf die tatsächlich gegebenen Nachteile und auf verschiedene weitere den konkreten Standort betreffende Kriterien ankommt, werden viele Mieter erneut versuchen, ihre entsprechenden Rechte gegenüber Vermietern zu erstreiten. Vermieter hingegen müssen ihrerseits die bei Ihnen entstandenen Nachteile verdeutlichen, um von einem gegebenenfalls damit befassten Gericht eine möglichst geringe Herabsetzungsquote der Mietzahlung zu erreichen.

Vielschichtige Bedeutung der Entscheidung für Franchisesysteme

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch für Franchisesysteme wiederum von doppelter Bedeutung, da nicht nur Franchisenehmer hinsichtlich ihrer Mietverträge betroffen sind, sondern vielfach auch die Beziehung zwischen Franchisenehmern und Franchisegebern wegen bestehender Untermietverhältnisse, und die Interessen von Franchisegebern hinsichtlich der Vertragsverhältnisse zu etwaigen Hauptvermietern.

BGH, Az. XII ZR 8/21, Urteil vom 12.01.2022

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