Franchising oder kein Franchising?

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Immer wieder kommt es vor, dass sich zwei Vertragspartner, häufig dann gerade auch vor Gericht, über die Rechtsnatur des zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnisses streiten. In zahlreichen Gerichtsverfahren geht es unter anderem zunächst um die Frage, ob das Vertragsverhältnis zwischen den beiden Parteien als Franchisevertrag zu betrachten ist oder nicht. Häufig geht es dann um sogenannte Lizenzverträge, Kooperationsverträge, Partnerschaftsverträge, Gesellschaftsverträge und ähnliches.

„Falsa demonstratio non nocet“

Im deutschen Recht gibt es einen wichtigen lateinischen Grundsatz, der da heißt: „falsa demonstratio non nocet“. Sinngemäß besagt dies, es ist egal, wie ein zwischen zwei Parteien abgeschlossener Vertrag betitelt ist, letztlich kommt es auf den Inhalt des Vertrages an. Somit ist ein als Franchisevertrag bezeichneter Vertrag keineswegs zwingend auch tatsächlich ein Franchisevertrag. Umgekehrt gibt es zahllose Verträge in der deutschen Wirtschaftswelt, die zwar nicht als Franchiseverträge bezeichnet sind, gleichwohl jedoch welche sind. Die unterschiedliche Bezeichnung hat verschiedene Ursachen. Bisweilen sind es die betreffenden Unternehmen selbst, die einen ihnen wohl als geeignet erscheinenden Begriff wählen, bisweilen sind es auch die beratenden Rechtsanwälte, die aus unterschiedlichen Gründen den Vertrag in bestimmter Weise überschreiben. Manchmal hat diese Entscheidung mit einer entsprechenden Gleichgültigkeit zu tun, manchmal geschieht sie aus Unkenntnis, oft jedoch auch gezielt, um bestimmte Auswirkungen, die sich im Falle des Vorliegens eines Franchisevertrages ergeben, zu verhindern oder aber zu befördern.

Zusammenhang zwischen Vertragstyp und Rechtsfolgen

Die Frage, um welche Art Vertragstyp es sich handelt, und ob das dahinterstehende Geschäftsmodell als Franchising zu bewerten ist oder nicht, hat nämlich in vielerlei Hinsicht ganz entscheidende Auswirkungen auf die Voraussetzungen beim Vertragsschluss, auf die Leistungspflichten beider Parteien, auf die Möglichkeiten des Ausstiegs und der Kündigung, und auf die Modalitäten der Abwicklung beendeter Verträge. Bestes Beispiel hierfür ist wie so oft das Thema der vorvertraglichen Aufklärungspflichten.

Zwar gibt es für alle zwischen zwei Personen abgeschlossenen Verträge die grundsätzliche Pflicht, den zukünftigen Vertragspartner über wesentliche Umstände aufzuklären, die dieser nicht wissen kann, die aber gleichwohl für den Vertragsabschluss von wichtiger Bedeutung sein könnten. Für das Franchising jedoch hat die Rechtsprechung bekanntermaßen sehr hohe Hürden aufgestellt und in jahre- bzw. jahrzehntelanger mittlerweile sich immer mehr verfestigender Rechtsprechung ganz konkrete Anforderungen an das formuliert, was ein Franchisegeber seinem zukünftigen Franchisenehmer alles vor Vertragsunterzeichnung ungefragt mitteilen muss. Ebenfalls aufgrund der hierzu ergangenen Rechtsprechung führt selbst der kleinste Aufklärungsfehler in der Regel dazu, dass der Franchisenehmer einen umfassenden Anspruch auf Schadensersatz hat. Er ist dann im Ergebnis so zu stellen, wie er stünde, wenn er den betreffenden Franchisevertrag nicht unterzeichnet hätte. Wird also ein bestimmter Vertrag als Franchisevertrag eingestuft, so kann dies im Falle der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten zu einem unübersehbaren Schadensersatzanspruch für den Franchisenehmer führen, den es möglicherweise bei einem anderen Vertragsverhältnis nicht so eindeutig geben würde.

Unterschiede zwischen Lizenz und Franchise

Am wichtigsten ist in diesem Zusammenhang wohl die Abgrenzung eines Franchisevertrag von einem reinen Lizenzvertrag, zumal diese Begriffe in der Praxis häufig unbesehen wahlweise benutzt werden. Während ein Lizenzvertrag lediglich das Recht des Lizenznehmers festlegt, gegen Zahlung einer bestimmten Lizenzgebühr irgendeine Marke, ein Know-how, ein Geschäftskonzept, ein Patent oder etwas anderes zu nutzen, geht ein Franchisevertrag weit darüber hinaus. Dort steht nämlich neben dem Nutzungsrecht auch die damit korrespondierende Nutzungspflicht und die durch umfassende Beratung und Schulungsverpflichtungen des Franchisegebers flankierte Einbindung des Franchisenehmers in das Vertriebs- oder Absatzkonzept des Franchisegebers.

Softwarenutzungsvertrag oder Franchisevertrag?

In einem vor einiger Zeit vom Landgericht Aachen entschiedenen Fall ging es um die Überlassung einer Softwarelizenz für eine spezielle Dienstleistung im Bereich der Existenzgründerberatung. Während der Systemgeber hinsichtlich des betreffenden Geschäftskonzeptes noch nicht einmal eine entsprechende Know-how-Lizenz annahm, sondern lediglich von einem Softwarenutzungsvertrag ausging, hielten die Systemnehmer das eingegangene Vertragsverhältnis für einen Franchisevertrag.

Unterschiedliche Gerichtsentscheidungen

In einigen älteren Entscheidungen war das betreffende Geschäftsmodell noch lediglich als Lizenzvertrag eingestuft worden. Dies mit der Argumentation, die Vertragspartner seien nicht in entsprechend enger Weise in das Geschäftskonzept des Systemgebers eingebunden, und dem Systemgeber habe keinerlei Weisungsrecht zugestanden. Nunmehr jedoch hat das Landgericht Aachen den Vertrag eindeutig als Franchisevertrag stuft.

Bereits aus dem Wortlaut des Vertrages ergaben sich nämlich zahlreiche Verpflichtungen für den Systemnehmer, die weit über das bloße Recht, eine Software nutzen zu dürfen, hinausgingen. Beispielsweise wurde den Systemnehmern vorgegeben, zu bestimmten Zeiten ihr Büro zu eröffnen, in bestimmter Weise Geschäftspapiere mit dem Logo des Systemgebers zu nutzen und vieles andere mehr. Auch bildete die betreffende Software zwar das zentrale Produkt des Geschäftsmodells, jedoch war dies umgeben von weiteren Maßgaben für eine umfassende Dienstleistung rund um diese Software. So ging es eben nicht nur um die Softwarenutzung, sondern um die Nutzung eines vollständigen Businessmodells für eine unternehmerische Selbständigkeit.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und findet sich derzeit in der Überprüfung durch das Oberlandesgericht Köln.

Folgerungen für die Praxis

Diese Betrachtungen zeigen, wie wichtig es ist, sich vor Gründung eines bestimmten Unternehmenskonzepts und vor Etablierung einer bestimmten Form der Lizenzerteilung oder der Skalierung von Geschäftsmodellen damit auseinanderzusetzen, um welche Art von Vertragsverhältnissen es sich handeln soll, und was dafür die jeweils tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen sind. Denn andernfalls wird es nur sehr schwer vorhersehbar sein, wie Gerichte später diese Vertragsbeziehung einordnen, und welche Rechtsfolgen sich daraus zugunsten der bisherigen Vertragspartner ergeben können.

LG Aachen, Az. 10 O 599/19, Urteil vom 19.11.2020

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