Rentenversicherungspflicht eines Ein-Mann-Franchisenehmers

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Zum wiederholten Male hat sich nunmehr ein oberstes Sozialgericht eines Bundeslandes, in diesem Falle das Landessozialgericht NRW, mit der Frage beschäftigt, wann ein Franchisenehmer unter die Rentenversicherungspflicht fällt. In dem konkreten Fall ging es um einen Franchisenehmer eines der führenden Nachhilfe-Franchisesysteme.

Abgrenzung von Sozialversicherungspflicht und Rentenversicherungspflicht

Grundsätzlich ist die allgemeine Sozialversicherungspflicht von der bloßen Rentenversicherungspflicht gemäß § 2 SGB VI zu unterscheiden. Während die Sozialversicherungspflicht eine umfassende Schutzbedürftigkeit und eine arbeitnehmerähnliche Stellung, z.B. eine Scheinselbstständigkeit voraussetzt, hat der Gesetzgeber hinsichtlich der Rentenversicherungspflicht durchaus auch den zwar kleinen, aber doch selbstständigen Unternehmer im Blick gehabt. Nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI ist derjenige Selbstständige rentenversicherungspflichtig, der zum einen keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, und zum anderen im wesentlichen ausschließlich für einen einzigen Auftraggeber tätig ist. Die auch für die Rentenversicherungspflicht erforderliche Schutzbedürftigkeit ergibt sich insbesondere aus der sich in den beiden vorgenannten Kriterien manifestierenden Abhängigkeit.

Keine Beschäftigung von Arbeitnehmern und Tätigkeit für nur einen Auftraggeber

Wie bereits vergleichbare Entscheidungen anderer Landessozialgerichte bestätigt auch das vorliegende Urteil, dass die oben genannten beiden Kriterien bei einem typischen Leiter eines Nachhilfeinstituts im Rahmen eines Franchisesystems erfüllt sind. Zum einen gibt es typischerweise keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer, denn die meiste Arbeit erbringt der Franchisenehmer entweder persönlich, oder, insbesondere im Rahmen des Nachhilfeunterrichts, durch freiberufliche Nachhilfelehrer. Die fast ausschließliche Tätigkeit für nur einen Auftraggeber wird darin gesehen, dass der Franchisenehmer vollständig in das Vertriebs- und Absatzsystem des Franchisegebers eingegliedert ist, und er quasi in dessen Auftrag Nachhilfe erteilt. Auch wenn es sich hier nicht um ein tatsächliches Auftragsverhältnis im Sinne des Zivilrechtes handelt, so ergibt sich eine vergleichbare Situation angesichts zahlreicher Kriterien, die eine deutliche Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit darstellen.

Sogenannter „kleiner Selbstständiger“ aufgrund enger vertraglicher Bindungen

Das Gericht stellt ausführlich dar, inwieweit der konkrete Franchisenehmer aufgrund der vertraglichen Verpflichtungen gebunden ist, und nur in geringem Umfang selbst über die Ausgestaltung seiner unternehmerischen Tätigkeit bestimmen kann. Ebenfalls entscheidend ist für das Gericht die wirtschaftliche Abhängigkeit des Franchisenehmers vom Franchisegeber. Dies ergibt sich unter anderem aus der langen Laufzeit eines Franchisevertrages und der damit verbundenen Untersagung sonstiger in Konkurrenz zum Franchise-Systems stehender Tätigkeiten. Letztlich führt dies zur Bezeichnung des Franchisenehmers als „kleiner Selbstständiger“.

Übertragbarkeit auf andere Franchisekonzepte

Da das Gericht die Rentenversicherungspflicht gerade aufgrund zahlreicher für Franchisesysteme typischer Bindungen bejaht, spricht sehr viel dafür, dass die vorliegende Gerichtsentscheidung auf zahlreiche Franchisesysteme unterschiedlichster Branchen übertragbar ist. Allerdings zeigt die ausführliche Begründung dennoch, dass letztlich jeder Einzelfall genau betrachtet werden muss.

Höchstrichterliche Entscheidung zu Dienstleistungsfranchisen fehlt noch

Nachdem sich auch bereits das Bundessozialgericht als oberste sozialgerichtliche Instanz in Deutschland im Falle eines Backshop-Franchisenehmers vergleichbar positioniert hatte, hat das Landessozialgericht NRW dennoch die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen, weil es noch keine höchstrichterliche Entscheidung hinsichtlich eines Franchisenehmers aus der Dienstleistungsbranche gibt. Wer jedoch sämtliche relevanten Entscheidungen kennt, ahnt, dass wohl auch das Bundessozialgericht im vorliegenden Fall nicht anders entscheiden wird.

Vorvertragliche Aufklärungspflicht des Franchisegebers

Für Franchisegeber verfestigt sich die Verpflichtung, bereits im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung Franchisenehmer kleinerer Unternehmungen über die mögliche Rentenversicherungspflicht zu informieren. Damit auch der Franchisenehmer nachträglich keine bösen Überraschungen erlebt, empfiehlt sich stets in den Fällen, in denen eine Rentenversicherungspflicht wahrscheinlich ist, ein entsprechendes Statusfeststellungsverfahren.

LSG Nordrhein-Westfalen, Az. L 3 R 662/21, Urteil vom 09.02.2022

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